Am Morgen entscheide ich, die Wanderung zum Nordkap ausfallen zu lassen, sondern nur den nördlichsten Verkehrspunkt anzusteuern. So könnte ich noch nach Båtsfjord fahren, dann nach Vardø übersetzen und noch mehr von diesen herrlichen Landschaften sehen.
Aber nach diesem Tag befürchte ich ein wenig, ob ich mich nicht übernehme.
Heute fange ich an, die Sonnenanbetung der Skandinavier zu verstehen. Der Körper verändert sich durch Temperaturwechsel. Hier empfindet man den Wechsel stärker und wohltuender.
Heute suche ich zum ersten Mal eine Tankstelle auf und werde über ein kleines Rätsel aufgeklärt. Ich kaufe mir frischgebackene Waffeln und Kaffee. Die Waffeln, man halte sich fest, sind mit Käse belegt. Der Käse kommt mir sehr bekannt vor. Ich habe ihn schon vor 10 Jahren gefuttert. Er hat eine sehr komische braune Farbe, schmeckt leicht nach Karamell und nach Käse. Ich habe mich immer wieder gewundert, weil ich mir nie so recht vorstellen konnte, was man damit in der Küche anfangen kann. Waffeln belegen.
Ich biege auf die E69 ab und bin verwundert über Betrieb und Zustand. Zum Zustand. Es gibt vier Stufen des Straßenzustandes im Norden. Frisch Schwarz. Grau, aber die Oberfläche ist einwandfrei. Die Rinnenfahrbahn. Aus irgendeinem Grund sind die Fahrbahnen, dort wo die rechten Reifen der Autos rollen, vertieft. Nicht aber da, wo die linken Reifen rollen. Der Asphalt ist in diesen Rinnen rauer und unebener, Stufe vier. Die Rinnen werden durch Teerkleckse geflickt und haben Schlaglöcher. Da diese Rinnen aber eigentlich die Spur der Radfahrer ist, ist es dort ziemlich nervtötend, dort zu fahren. Und auch mühseliger. Mit Stufe vier beginnt die E69. Die Busse, Wohnmobile, Caravangespanne und Motorräder rauschen an mir vorbei.
Ich bin froh, dass ich auf die 889 komme. Besser ausgebaut und so gut wie kein Tourismus. Was die Strecke aber landschaftlich nicht verdient hat. Es geht sehr viel an der Küste entlang und es gibt aber Anstiege, die in karge Gebirgslandschaften führen. Der Bergsee im Hintergrund und in der nahen Ferne das Meer.
Aber der Wind, den ich schon gestern beklagte, ist eiskalt und bremst mich aus. Teilweise frage ich mich, ob mein Rad streikt.
Eines verstehe ich nicht, warum ich eigentlich so problemlos Steigungen fahre, aber bei Gegenwind zum Quengler werde, obwohl mein Puls nicht so steigt wie bei Steigungen.
Mittlerweile habe ich meine wärmste Hose an und eine zusätzliche Jacke. Auch sind mir meine langen Handschuhe lieber.
Auf der Strecke mache ich meine nächste Bekanntschaft mit einer Rentierherde. Diese liegt friedlich neben dem ersten Haus am Ortsrand.
Die Tiere lassen sich kaum von mir stören. Mein Photographieren aber scheint sie zu interessieren.
Komisch ein Effekt, den ich bei allen Herdentieren beobachte, kaum richtet sich die Kamera auf die Tiere, werden sie aufmerksam. Bei meinem Weitwinkelobjektiv, was eine größere Fläche hat, ist der Effekt besonders stark.
Ein wenig später mache ich Rast in einem Bushaltestellenhäuschen, welches an einem Abzweig zu einigen wenigen Häusern steht. Es kommt eine Mutter mit ihrem Kind in einem Kinderwagen vorbei. Wir grüßen uns. Sie biegt mit ihrem Kinderwagen in die 889 ab. Als ich dann weiterfahre, begegnen wir uns wieder. Wir grüßen uns schon ein wenig wie Bekannte. In dieser Geschichte ist viel über den hohen Norden enthalten.
Ich muss mich sowieso stark zurückhalten, dass ich Kinder und Jugendliche frage, ob sie hier bleiben wollen oder in den Süden gehen wollen.
Im Laufe des Tages habe ich einem Kind gewunken, dass mit einer Katze auf dem Arm im Garten stand und diese streichelte. Das Kind war ziemlich weit weg. Es sah mich trotzdem und winkte zurück. Ich glaube in D hätte das nicht funktioniert.
Irgendwann erreiche ich Havøysund. Kurz davor stelle ich an einem kleinen See mein Zelt auf. Dampfwölkchen vor meinem Mund.