Am Morgen verkneife ich mir teilweise das Atmen, bevor ich die Fliegen einatme. Eine Feststellung von gestern und heute. Je weiter oben, desto mehr Mückenbelästigung. Heute hatte ich sogar Mücken, die mich bergauf verfolgten.
Bei dem ersten Abschnitt der 98 fällt mir das Wort Wüstenei ein, so karg und wüst wirkt es. Es gibt auch keine Rastplätze, obwohl ich diese Landschaft für ein Erlebnis halte.
Dass auf den Autos Halterungen für Angeln angebracht sind, habe ich schon gesehen. Dass Autos schon mit eingelegten Angeln auf der Straße fahren, sehe ich heute zum ersten Mal.
Hier in der Gegend steht alle 10 km ein Schild, wie weit es noch zur nächsten wichtigen Stadt oder Ortschaft ist. Seit gestern wurde mir über 110 Kilometer Ifjord angekündigt. Was gibt es hier Besonderes? So weit ich sehe konnte. Nichts. Das eigentlich Wichtige dürfte sein, dass es von Ifjord entweder nach Mehamn oder Tana Bru geht.
Ich gehe in ein „Kafe“ und stopfe mich mit verschiedenen Formen von Zucker voll, nach denen mein Körper nach den anstrengenden Fjorden verlangt. Man kennt das ja in Norwegen. Berg rauf, Berg runter, Fjord. Nahezu ein Gesetz.
Die Preise entsprechen nicht dem Charakter der gekauften Kohlehydrate.
Nach Ifjord fängt eine Baustelle an. Die mich nach den positiven Erfahrungen mit der letzten Baustelle nicht weiter stört. Der Schotter war ja 1a verdichtet.
Bei dieser Baustelle wechselt verdichteter Schotter mit Passagen mit extrem lockeren Schotter ab, der nicht fahrbar ist, weil es bergauf geht. Meiner Karte nach soll es bis 400 Meter kontinuierlich hochgehen. Ich könnte nach Meham fahren und von dort mit dem Schiff weiter. Ich halte ein Wohnmobil an und frage, wie lange das noch mit der Baustelle geht. 10 bis 12 Kilometer. Ich nehme das Wagnis auf mich. Weil es zum Regnen anfängt, kühlt es deutlich ab und die Plackerei bleibt erträglich. Oben werde ich wieder durch eine grandiose Landschaft belohnt. Die Vegetationsgrenze ist wieder überschritten. Nur Wiesen mit ganz kurzem Gras, Seen und Schneeflecken. Irgendwann geht es wieder unter die Baumgrenze. Ich finde diesen Übergang jedes Mal etwas gespenstisch. Es stehen ganz dicht Birkenbäume. Die wenigsten tragen Blätter. Die anderen Birken wirken wie abgestorben. Es wirkt immer ein wenig wie nach einer Umweltkatastrophe.
Danach passiert eine andere Katastrophe. Ich lasse die Packtasche mit dem Zelt, die mir bei einer Pause als Kissen dienen sollte, liegen. Als ich es bemerke, liegen 5 Kilometer und 180 Höhenmeter zwischen mir und meiner Tasche. Ich wusste gar nicht, dass ich einen Berg so schnell hinauffahren kann. Und das noch mit Gepäck. Die Tasche ist noch da. Erleichterung macht sich breit.
Gegen Abend gerate ich in strömenden Regen. Plötzlich sehe ich eine Elchkuh mit zwei Kälbern. Elche sind doch erheblich größer als Rentiere. Als ich das Riesengeweih eines Rentieres heute sah, kamen mir gewisse Zweifel auf, ob ich doch nicht andauernd Elche sehe.
In Smalfjord stelle ich im Regen auf einer Wiese am Meer mein Zelt auf.